Die Zeiten, in denen Frauen zu Hause bleiben und als Vollzeitjob auf den Nachwuchs aufpassen, sind längst vorbei. Gleichermaßen wollen immer mehr berufstätige Männer in größerem Umfang Zeit mit ihren Familien verbringen und nicht länger 40 oder mehr Stunden pro Woche hinter dem Schreibtisch sitzen. Durch diese veränderten Ansprüche an Job und Arbeitgebenden wird die Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen immer größer. Doch welche Konzepte sind wirklich familienfreundlich und hinter welchen Modellen versteckt sich mehr Schein als Sein?
Gerade die jüngere Generation der Arbeitnehmenden strebt nach einer möglichst perfekten Balance zwischen Arbeit und Privatleben. Obwohl der berufliche Erfolg und eine potentielle Karriere noch immer hoch im Kurs stehen, soll auch genug Zeit und Platz für die Familienplanung gefunden werden. In der Realität sieht es jedoch leider oft so aus, dass eine Wahl zwischen Job und Familienleben getroffen werden muss, da die zeitlichen Rahmenbedingungen der meisten Arbeitsverträge nicht viel Spielraum für eine Balance zwischen den beiden Welten lassen. Nicht selten stehen junge Arbeitnehmende also vor dem Dilemma: Widme ich mich meiner Karriere oder der Gründung einer Familie? Bin ich zu alt für Kinder, wenn ich erst meinem beruflichen Erfolg nachgehe? Oder bin ich später zu alt für eine Karriere, wenn ich jetzt Kinder bekomme?
Die gute Nachricht ist, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten bereits viel in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie getan hat und dadurch eine Vielzahl an flexiblen Arbeitszeitmodellen entstanden sind, die den Arbeitnehmenden ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den beiden Welten ermöglichen sollen.
Welche Arbeitszeitmodelle sind besonders familienfreundlich?
Sharing is caring – auch im Job
Beim Jobsharing wird ein Arbeitsplatz durch zwei (oder mehr) Beschäftigte wahrgenommen, die ihn sich dann üblicherweise in Teilzeit teilen. Auf diese Weise können Arbeitspensum sowie -zeiten flexibel gesplittet werden, wodurch sich mehr Freizeitmöglichkeiten und Verfügbarkeiten für die Familie ergeben. Zusätzlich wird eine durchgehende Ansprechbarkeit gewährleistet und die Verantwortung auch bei größeren Aufgaben geteilt, während gleichzeitig die Kompetenzen und Talente zweier Personen genutzt werden können. Jobsharing bietet sich folglich besonders für Väter und Mütter in Führungsrollen an, die ihre Position nicht aufgeben möchten, aber so dennoch genug Zeit für die Familie einplanen können. Wichtig sind hier jedoch ein hohes Maß an Teamfähigkeit und Organisationstalent der Beschäftigten, damit ein reibungsloser Arbeitsablauf garantiert wird.
Vertrauen ist alles
Das Modell der Vertrauensarbeitszeit beruht auf der Ergebnisbeurteilung der Arbeitsleistung. Hier gibt es keine festen Zeitstrukturen, an die Arbeitnehmende gebunden sind, vielmehr dürfen sie ihre Arbeitszeit selbst einteilen. Wichtig ist, dass am Ende alle Aufgaben erledigt sind und die entsprechenden Ergebnisse vorgelegt werden können. Aufgrund dieser großen Flexibilität eignet sich die Vertrauensarbeitszeit bestens für Beschäftigte, die sich durch ihre familiäre Situation nicht an einen strikten 9-to-5-Arbeitstag binden können oder wollen.
Auch bei diesem Arbeitszeitmodell sind sehr gute organisatorische Fähigkeiten sowie ein solides Zeitmanagement gefragt. Was die Zieldefinition betrifft, so können die zu erreichenden Ergebnisse sowohl vom Unternehmen vorgegeben als auch in Absprache mit den Mitarbeitenden definiert werden. Wie der Name schon sagt, darf es zudem auch nicht an einem gewissen Maß an Vertrauen zwischen den Parteien fehlen.
Durch den Arbeitstag gleiten
Der Name ist Programm – bei der Gleitzeit sind in der Regel bestimmte zeitliche Rahmen gesetzt, in denen die Beschäftigten ihre Arbeitszeit frei legen dürfen, um so bedarfsorientiert zu arbeiten. Daher bietet sich dieses Modell besonders für Arbeitnehmende mit Kindern im Schulalter an, da der Arbeitstag so parallel zu den Unterrichtsstunden gestaltet werden kann. Die Gleitzeit ermöglicht es den Beschäftigten zudem Zeitreserven anzusparen, die sich später – bei Bedarf – in Freizeit umwandeln lassen können.
Voraussetzung für das Gleitzeitmodell sind Arbeitszeitkonten, in denen die Arbeitnehmenden ihre geleisteten Stunden dokumentieren. Auch hier kommt es auf eine kontinuierliche Absprache unter den einzelnen Mitarbeitenden an, damit der Betriebsablauf auch bei kurzfristigen Ausfällen weitergeführt werden kann.
Die Arbeit ist da, wo Du bist
Mittlerweile gibt es wohl kaum noch Personen, die nicht mindestens einmal die heißdiskutierte Home-Office Erfahrung mitmachen durften. Wenn alle Stricke reißen und einfach mal jemand zu Hause bei den Kindern bleiben muss, ist das Home-Office ist beste Lösung. Was man darunter versteht, muss 2021 wohl niemandem mehr erklärt werden, nichtsdestotrotz wird die Bedeutung dieses Arbeitszeitmodells für Eltern oft unterschätzt. Ein großer Vorteil ist, dass mit der richtigen technischen Ausstattung auch sehr kurzfristig und flexibel agiert werden kann, wenn es die familiäre Situation verlangt.
Arbeiten im Home-Office ist (besonders verbunden mit weiteren flexiblen Arbeitszeitmodellen) der beste Weg, um Job und Familie zu verknüpfen. Dies gilt allerdings nur, wenn dafür gewährleistet wird, dass der beschäftigten Person auch am Remote-Arbeitsplatz alle arbeitsrelevanten Informationen zugespielt werden und sie überhaupt geeignete räumliche Möglichkeiten dafür besitzt.
Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgebender noch keine derartigen Modelle anbietet?
Falls sich bei Ihnen in naher Zukunft Nachwuchs ankündigen sollte oder Sie aus der Elternzeit zurück ins Arbeitsleben kommen, kann es erst einmal schwierig werden, den Mix aus Privatleben und Beruf zu jonglieren. Bevor Sie jedoch auf Ihren Arbeitgebenden zustürmen und die Möglichkeit auf Home-Office, flexiblere Start- und Feierabendzeiten oder gar das reine Arbeiten auf Vertrauensbasis vorschlagen, sollten Sie sich einen Moment Zeit nehmen und überlegen, was genau Ihnen und Ihrer Situation am besten helfen würde. Brauchen Sie morgens etwas mehr Zeit und möchten deshalb gerne erst mittags mit der Arbeit anfangen? Oder betreuen Sie Ihr Kind zu Hause und wollen deshalb an manchen Tagen im Home-Office arbeiten? Je nach Ausgangslage sollten Sie Ihren Vorgesetzten von Ihren Vereinbarkeitsproblemen erzählen und bestenfalls noch weitere Betroffene mit ins Boot holen. Zusammen lassen sich realistische Ziele vereinbaren und Konzepte erstellen, die die Bedürfnisse aller einschließen. Sobald Sie einen ersten Entwurf erarbeitet haben (der im Idealfall außer den notwendigen Maßnahmen auch einen ungefähren Kostenplan enthält), können Sie ihn der Geschäftsleitung präsentieren und vorschlagen, das Konzept in einzelnen Abteilungen testweise für einen gewissen Zeitraum laufen zu lassen. Je nach Ergebnis und Möglichkeiten Ihres Unternehmens muss Ihr Vorhaben im Laufe des Prozesses jedoch auch an die restliche Belegschaft kommuniziert werden, erst dann kann es zu einer finalen Umsetzung kommen.
Fazit: Flexible Arbeitszeitmodelle erleichtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und sind somit sowohl für Beschäftigte als auch Arbeitgebende von Vorteil. Unternehmen, die Home-Office, Gleitzeit und Co. anbieten, sind attraktiver für junge Arbeitnehmende und verschaffen sich somit in Hinblick auf den Fachkräftemangel einen Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig erhalten letztere die notwendige Flexibilität für ihr Privatleben und profitieren durch die bessere Work-Life-Balance von einer höheren Jobzufriedenheit.