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Heulkrämpfe gehören zur Tagesordnung – Interview mit einer Patentanwaltsfachangestellten

Als Personalberatung mit Schwerpunkt in der Rechtsbranche haben wir jeden Tag mit zahlreichen Angestellten zu tun, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ihren Job zu wechseln, um endlich wieder mit einem guten Bauchgefühl zur Arbeit gehen zu können.

Um einen genaueren Einblick in den Arbeitsalltag einer Patentanwaltsfachangestellten (PaFa) vor sowie nach ihrem Jobwechsel zu erlangen, haben wir eine von uns vermittelte PaFa zum Interview gebeten, im Folgenden „Svenja“ genannt.


Schwertfels: Liebe Svenja, Du bist jetzt seit fünf Jahren als Patentanwaltsfachangestellte tätig und hast vor sechs Monaten aus einer Reihe von Gründen den Entschluss gefasst, mit unserer Unterstützung die Kanzlei zu wechseln. Mal ganz allgemein, wie würdest Du einen typischen Arbeitstag in einer Kanzlei beschreiben?


Svenja: So ist es. Einen typischen Arbeitstag als Patentanwaltsfachangestellte kann man per se nicht definieren, da jeder Tag anders abläuft. Mein Tag beginnt und endet eigentlich mit einer allgemeinen Fristenüberprüfung. Danach wird der Posteingang (Amtsmitteilungen und Formalbescheide) erledigt. Die Schriftstücke werden gesichtet und die jeweiligen Fristen errechnet und notiert. Wichtige Einreichungen für den Tag werden beim Amt getätigt, Wiedervorlagen und Fristen werden notiert. Das sollte man immer umgehend machen und nicht schieben. Je früher, desto besser, denn Überraschungen sind in diesem Job an der Tagesordnung.

Um in diesem Job glücklich zu werden, sollte man niemals das Ziel vor Augen haben, mit einer leeren Inbox nach Hause gehen zu dürfen. Es ist ein ständiges Neupriorisieren und Umschichten der Aufgaben.


Schwertfels: Und wie ist das Arbeitsverhältnis zwischen Patentanwaltsfachangestellten und Patentanwält:innen sowie Partner:innen in Deiner jetzigen Kanzlei verglichen zu früher?


Svenja: PaFas und Patentanwälte arbeiten Hand in Hand in einem Abhängigkeitsverhältnis. Je besser das Verhältnis ist, desto effizienter gestaltet sich der Arbeitsablauf. Meine persönliche Erfahrung hat gezeigt, je mehr Vertrauen zwischen PaFa und Anwalt besteht, desto ergiebiger ist das Ergebnis. Am liebsten arbeite ich mit Anwälten zusammen, die mir freie Hand lassen, so nach dem Motto: „Sie machen das schon“. Das muss sich natürlich zunächst erst einmal einspielen, Vertrauen entsteht mit der Zeit. Wenn sich jeder um seine eigenen Aufgaben kümmert und sich aufeinander verlassen kann, entsteht ein wunderbarer Austausch. In meiner jetzigen Kanzlei habe ich genau dieses Glück. Leider war das aber nicht immer der Fall. In meiner alten Kanzlei wurde so ineffizient gearbeitet, dass sehr viel Zeit an den „falschen Stellen“ verschwendet wurde. Einige meiner Vorgesetzten waren komplett toxisch, da folgte ein blöder Spruch auf den anderen. Von Cholerikern mal ganz abgesehen, das war auch einer meiner Hauptgründe, den Arbeitsplatz zu wechseln.


Schwertfels: Wie sah es denn mit der Digitalisierung aus? Hattest Du im letzten Jahr die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten?

Svenja: Also auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich den digitalen Fortschritt bei höchstens fünf einordnen. In meiner alten Kanzlei, in der ich bis vor sechs Monaten war, hatten wir zwar die Möglichkeit auf Home Office und wurden innerhalb der Fachabteilungen in zwei Gruppen aufgeteilt, die sich im Schnitt zwei bis drei Tage im Home Office befanden, aber effizienter sind wir dadurch definitiv nicht geworden. Das war einfach eine Corona-Regel, die meisten Kanzleien haben aber massive Probleme bei der Digitalisierung, weil sie einfach zu stark an der Papierakte hängen, als wäre es der heilige Gral. Man traut sich einfach nicht, den Schritt in Richtung Digitalisierung zu gehen, worunter dann natürlich die Flexibilität leidet und Arbeit buchstäblich doppelt gemacht wird, weil alles zwar einmal im System gespeichert, auf der anderen Seite aber auch in Papierform ausgedruckt werden muss. So konnten wir zwar Home Office machen, aber an der Effizienz hat sich nichts getan.

Es war dann ganz oft so, dass wir aus den drei Tagen Home Office zurückkamen und dann die restlichen beiden Tage bis halb neun am Abend im Büro saßen, um alles nochmal in der Papierakte wiederzugeben, was wir davor schon digital eingetragen hatten. Das war wirklich eine Katastrophe.


Schwertfels: Werden in Deiner jetzigen Kanzlei flexible Arbeitszeiten oder Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Job Sharing oder Sabbaticals angeboten?


Svenja: Ja, wir haben flexible Arbeitszeiten. Es wird nie gemeckert, wenn wir mal um halb zehn aufschlagen oder die Kanzlei aufgrund von Terminen eher verlassen müssen. Auf persönliche Wünsche wird generell sehr viel Rücksicht genommen.

Was die Konzepte angeht, habe ich von Job Sharing im Kanzleiumfeld noch nie was gehört, Sabbaticals wären eventuell möglich, aber nur bei Leuten, bei denen man sich sicher sein kann, dass die danach auch wieder zurückkommen und sowieso langfristig bleiben können. Ansonsten ist meine jetzige Kanzlei sehr flexibel, ich hatte früher schon Vertrauensarbeitszeit sowie Gleitzeit und jetzt aktuell eine Kernarbeitszeit von neun bis 16 Uhr, so ist es auch, wenn man jetzt mal mittags zu einem Arzttermin muss und länger wegbleibt, kein Problem. In meiner alten Kanzlei hätte sowas zwar in der Theorie auch möglich sein sollen, aber wie oft musste ich damals Arzttermine absagen, weil dann doch was Wichtiges war und ich nicht wegkonnte. Um es zusammenzufassen, in der Theorie war alles sehr flexibel, aber die Realität wich leider stark davon ab.


Schwertfels: Wie würdest Du denn dann die allgemeine Stimmung in Deiner alten Kanzlei beschreiben?


Svenja: Darüber muss ich kurz nachdenken… an sich war die allgemeine Stimmung schon gut, unter den Fachkräften verstanden wir uns und auch „nach Außen“ hin war mit den Anwälten immer „alles gut“. Aber intern haben wir, als Fachangestellte, immer das Gefühl gehabt, dass die Anwälte uns „meiden“, um uns nicht zu verärgern, einfach weil sie Angst hatten, dass wir sonst gehen.

Das kann man natürlich nicht pauschalisieren. Jetzt habe ich zum Beispiel auch zu manchen Anwälten logischerweise einen besseren Draht als zu anderen, aber im Prinzip ist der Umgang miteinander hier sehr viel respektvoller und immer freundlich. Zwischen den Fachangestellten ist das Verhältnis sehr gut und mit manchen sogar freundschaftlich, was den Arbeitsalltag positiv beeinflusst hat.

Früher habe ich auch des Öfteren die Erfahrung gemacht, dass, wenn wir Probleme angesprochen haben, das zwar zur Kenntnis genommen wurde, die Lösungsfindung aber so langwierig und scheinbar schwierig war, dass dann monatelang doch nichts passiert ist. Nach außen hin wurde immer kommuniziert, dass alles super sei und die zwischenmenschliche Kommunikation rundläuft, aber nach meiner Erfahrung war das nicht der Fall.

Viele Anwälte hatten richtig „Angst“ uns nach 17 Uhr noch anzurufen, wenn zum Beispiel ein internationaler Mandant noch ein Anliegen hat, das dringend an diesem Tag erledigt werden muss, weil sie wussten, sie sind von uns abhängig. Aber am Ende waren wir nun mal die, die es machen mussten.

Manche Mandanten wurden auch immer frecher und gingen davon aus, dass sie der Nabel der Welt wären und so entsprechend hohe Ansprüche stellten, die am besten schon gestern erfüllt sein sollten. Dazu kam der Datenschutz und tausende neue Passwörter pro Woche für die entsprechenden Datenbanken inklusive zehn Seiten Tutorials wie man mit dieser Datenbank umzugehen hat. Wer soll denn dafür Zeit haben? Das war wirklich so frustrierend, da kam es wirklich regelmäßig dazu, dass jemand geweint hat, Heulkrämpfe waren einfach an der Tagesordnung.


Schwertfels: Mit welchen Gedanken bist Du unter diesen Umständen in Deinen Arbeitstag gestartet und wie hast Du ihn beendet?

Svenja: Hoffentlich gibt es heute keine großen Überraschungen und ich muss nicht um 17 Uhr noch anfangen, mich in eine ungeplante Anmeldung einzudenken, welche unbedingt an diesem Tag noch raus muss und mir meinen kompletten Tagesplan durcheinanderbringt. Nach Hause gegangen bin ich ganz oft mit dem Gedanken „Oh mein Gott, ich bin so todeserschöpft!“ Klingt jetzt blöd, aber man denkt sich einfach, ich verdiene viel zu wenig dafür, dass ich als Angestellte so viel Druck und Verantwortung auf meinen Schultern trage! Ohne Patentanwaltsfachangestellte wären die Kanzleien einfach komplett verloren, wenn wir nicht immer bereit wären, länger dazubleiben und euch den Allerwertesten zu retten, würde alles den Bach runtergehen.

Schwertfels: Wie waren Überstunden bei Dir geregelt?

Svenja: Überstunden gingen einfach auf’s Überstundenkonto und konnten dann in der Theorie abgefeiert werden, in der Praxis war das aber fast unmöglich. Das ist auch das, was mich so fertig gemacht hat, diese fehlenden Strukturen. Manchmal saß ich gegen 18 Uhr völlig am Ende seit halb 8 morgens im Büro und wollte langsam Feierabend machen, weil ich noch einen Termin hatte, und dann kam der Anwalt ums Eck und wollte dringend noch eine Anmeldung machen. Also bist du schon früh in den Tag gestartet, weil du wusstest, heute wird es schlimm und dann wurde es aber noch schlimmer. Als PaFa wusstest du einfach nie, was auf dich zukommt, du konntest dir keinen Tag so legen, wie er dann am Ende wirklich passiert ist.

Natürlich bestand die Möglichkeit, Überstunden abzufeiern, aber es kamen ja dauernd neue dazu, man kam also gar nicht mit dem Abarbeiten hinterher. Wir waren einfach zu wenige PaFas für zu viel Arbeit, so ist es in der ganzen Branche, es herrscht ein riesiger Fachkräftemangel.


Schwertfels: Wie lange sind andere Patentanwaltsfachangestellte unter diesen Umständen im Durchschnitt in Deinen alten Kanzleien geblieben?


Svenja: Das ist ganz unterschiedlich, wir hatten eine Auszubildende, die jetzt seit fünf Jahren hier war, eine andere Kollegin war schon seit neun Jahren hier und wieder eine andere sogar schon seit 20 Jahren. Wir hatten viele langjährige Mitarbeitende, einfach aus dem Grund, weil sie wussten, dass es schlimmer immer geht und deshalb so eine Angst vor einem Wechsel haben, dass sie lieber ausharren als sich neu zu orientieren. Diese Leute werden auch nicht wechseln, dafür gibt es zu viele Horrorgeschichten aus anderen Kanzleien, da leidet man lieber gemeinsam. Ich denke auch, dass ich den Schritt ohne professionelle Hilfe nicht gewagt hätte, dafür hatte ich einfach zu wenig Ahnung von dem tatsächlichen Arbeitsumfeld in anderen Kanzleien.


Schwertfels: Wie sah es mit Deinem Gehalt aus? Warst Du damit zufrieden und gab es regelmäßige Gehaltsrunden?


Svenja: Joa, an sich war ich schon mit meinem Gehalt zufrieden, die Gehälter der PaFas sind sehr hoch angesetzt und man kann, wenn man seinen Job gut macht, einen sehr guten Verdienst erzielen. Je mehr Erfahrung man hat, desto höher kann man logischerweise ansetzen. Es staffelt sich auch ein bisschen mit den Jahren, aber um richtige Gehaltsrunden zu machen, bleibt einem fast nur der Jobwechsel. Es werden lieber langjährige, gute Mitarbeitende entlassen und neue eingestellt, anstatt den erfahrenen eine ordentliche Gehaltserhöhung zu geben. Man wurde zwar immer mit jährlichen Gehaltsrunden gelockt, aber in der Realität sah man davon nichts.


Schwertfels: Was hat sich allgemein seit Deinem Jobwechsel verbessert?


Svenja: Mental hat sich bei mir sehr viel getan. Ich bin nicht mehr so erschlagen nach meinem Arbeitstag und fühle mich psychisch wieder gestärkt. Ich habe tolle Kollegen und wir ziehen alle an einem Strang. Natürlich gibt es auch stressige Phasen, aber in denen lässt keiner den anderen im Stich.


Schwertfels: Welche Vorteile hatte die Zusammenarbeit mit uns als Personalberatung für Dich? Würdest Du anderen Patentanwaltsfachangestellten in Deiner Situation dazu raten?

Svenja: Ja, auf jeden Fall. Zum einen hat Schwertfels mich in jeglicher Hinsicht gut beraten und mich nicht unter Druck gesetzt. Ich hatte ein sehr gutes Gespräch mit Ertug und wir haben beide die Fakten auf den Tisch gelegt. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, dass er weiß, wovon er spricht und den absoluten Marktüberblick, was definitiv von Vorteil ist. Zum anderen kommen Personalberater auch an Stellen, die nicht öffentlich ausgeschrieben sind und von Kanzleien exklusiv beauftragt werden. Wir hatten ein langes, emotionales Gespräch und er hat mir genau zugehört, wo bei mir der Schuh drückt und hat für mich definitiv die beste Lösung gefunden. Die meisten Recruitmentagenturen haben ja auch gar keine Ahnung von der Branche und "verschachern" die Leute nacheinander, das war bei Schwertfels nicht der Fall. Sie kannten sich aus und wussten genau, wovon ich spreche, und haben so für mich eine langfristige Lösung gefunden, mit der ich sehr glücklich bin. In meiner neuen Kanzlei stimmt das Zwischenmenschliche einfach, sowohl zwischen PaFas als auch zwischen Angestellten und den Anwälten herrscht ein respektvoller Umgangston, das allein macht schon so viel aus.

Schwertfels: Das freut uns sehr zu hören! Eine letzte Frage noch zum Abschluss, was würdest Du PaFas in der Ausbildung raten, bevor sie ihren ersten Job antreten?


Svenja: Informiert euch so gut wie möglich über die internen Strukturen und die Arbeitsabläufe. Lieber den Fokus auf den gewerblichen Rechtsschutz und die englische Sprache legen und weniger auf Kostenrecht. Macht euch bewusst, dass man in diesem Job sehr viel Verantwortung übertragen bekommt und kleine Fehler immense Konsequenzen haben können, da es in vielen Kanzleien kein Vier-Augen-Prinzip gibt. Damit muss man auch erst lernen, umzugehen. Wenn man eine Affinität zum Detail hat, kann dieser Job, sofern man eine tolle Kanzlei hat, sehr erfüllend sein. Organisatorische Skills und eine strukturierte Arbeitsweise kommen Dir in diesem Job definitiv zugute.


Schwertfels: Vielen Dank für diesen Einblick, liebe Svenja, wir wünschen Dir nur das Beste in Deinem neuen Job!

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